Jazz_News_08.09.23
Nils Wülker & Arne Jansen  Cineastische Traumreisen

Nils Wülker & Arne Jansen Cineastische Traumreisen

Es genügen wenige verhaltene, sich in der Ewigkeit verlierende Töne, um den geneigten Zuhörer in eine musikalisch-emotionale Welt des Staunens, des Sehnens, des Schwebens zu versetzen. Nils Wülker ist so ein Hexenmeister des akustischen Wunders, kraft der Klänge seiner Trompete katapultiert er den angenehm Überraschten in eine von Taumeln, Seufzen und andächtigem Verweilen gleichermaßen geprägte Atmosphäre.
Der 45jährige aus Bonn hat einen langen Weg hinter sich, ehe er zum Magier an seinem Instrument wurde. Bereits seit dem 10. Lebensjahr genoss er Unterricht an der - von Klassik geprägten - Trompete. Mit 17 war er zwölf Monate lang Stipendiat an einer privaten Musik-Schule in den USA, wo er (Acid-)Jazz und den Sound von Großmeister Miles Davis für sich entdeckte. Zurück in Deutschland absolvierte Wülker eine Ausbildung an der renommierten „Hanns Eisler“-Hochschule in Berlin, schloss sich bereits in dieser Phase verschiedenen Jazz-Orchestern an, um zu Beginn des aktuellen Jahrtausends die eigene Band zusammenzustellen, mit der Wülker 2002 sein vielbeachtetes Debütalbum „High Spirits“ aufnahm. Im Laufe der Jahre folgten zehn weitere Studiowerke, welche sich mehr und mehr vom puristischen Jazz abwandten, hin zu dem, was auf Neudeutsch „Crossover“ genannt wird. Letztlich ist es Sound frei von Konventionen, in der am Ende Melodie und Gefühlswelt untrennbar Hand in Hand gehen, ob im Funk-, HipHop- oder Pop-Gewand, sei dahingestellt. Hauptsache beim Lauschen überwältigend!
Zwischen den Besuchen im Studio wird immer wieder getourt, wenn auch in Zeiten der Corona-Pandemie wesentlich weniger als in den Jahren zuvor. „Dah hat sich zum Glück normalisiert, denn ich sehe unglaublich gerne auf der Bühne. Und jetzt war es an der Zeit“, freut sich der Wahl-Münchner und -Hamburger nach wie vor, „ein neues Kapitel in meiner musikalischen Vita aufzuschlagen.“
Mit seinem aktuellen Album „Closer“ hat der selbst ernannte „Perfektionist“ (Wülker über Wülker) sich einen mehrjährigen Traum erfüllt. „Was vor allem daran liegt, dass Arne Jansen absolut gleichberechtigt mit mir zugange ist“, erklärt der tiefenentspannte Zeitgenosse gelassen. „Arne ist ja Langzeit-Gitarrist meiner Band, hat auf nahezu allen meinen Werken mitgemischt.
Er ist ein Ausnahme-Talent. Spielt meinen Stoff, als wäre er sein eigener- Dadurch lösen wir eine gegenseitige Wechselwirkung aus. Wir kenn uns ein 1999, haben zusammen bei Peter Herbolzheimers Como musiziert. Der kreative wie private Kontakt wurde stetig seelenverwandter, auf „loser“ ist er extrem intim. Deshalb steht erstmalig zurecht auch sein Name mit dem meinem auf dem Cover.“
Zwei Mal mussten die Aufnahmetermine in München verschoben werden, aus bekannten Gründen. „Doch beim dritten Mal hat es geklappt, da aller guten Dinge nun mal drei sind“, feixt der Meister-Trompeter. „Wir 60 haben dermaßen viele Hygiene-Maßnahmen ergriffen und dadurch das Virus schlicht überrumpelt. Eigentlich hätte die Scheibe Ende 2021, Anfang 2022 in den Handel kommen sollen. Jetzt war es über ein Jahr später, verbunden mit einer ausufernden Gastspielreise. Endlich wieder normale Verhältnisse“, seufzt der Tröten-Großmeister und ist „mehr als hundert Prozent erleichtert.“
Keine Wunder bei dieser innigen Vorgehensweise, dass „Closer“ mehr noch als Wülkers frühere Werke wie ein Kino-Soundtrack daher kommt, cineastische Traumreisen angetreten werden können. „Das Assoziative steckt seit jeher in all meinen Kompositionen“, ist der smarte Charmeur überzeugt. „Ich wollte immer Atmosphäre erzeugen. Aber mit einem gleichgestellten Partner an der Seite hast du viel mehr Möglichkeiten, um diesem Anspruch gerecht zu werden.“ Michael Fuchs-Gamböck

Bild: © Warner Music
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