Pop_News_04.10.24
Heinz-Rudolf Kunze - Rockende Brille

Heinz-Rudolf Kunze - Rockende Brille

Nach dem dritten Glockenschlag und um Punkt 20 Uhr gehen im Saal des Münchner „Circus Krone“ an diesem 1. Oktober die Lichter aus. Noch ist kein Ton erklungen von der Bühne, da klatschen bereits knapp 2.000 Händepaare frenetisch Beifall. Bis auf wenige versprenge Sitze ist der bestuhlte Innenraum der legendären Stätte komplett gefüllt. Hauptprotagonist Heinz-Rudolf Kunze zieht nach wie vor die Massen.

Dann fällt der Vorhang. Im Fokus ein Mann in weißer Zwangsjacke: HRK, der Ostwestfale, höchst persönlich. Schließlich hat Leadgitarrist Andrew Gläser Einsehen mit der misslichen Lage seines Chefs und befreit ihn daraus. Backgroundsängerin Natalie Pütz hilft ihm gar ins Jackett. Der obligatorische lange Schal um den Hals darf eh nicht fehlen.

Jetzt ist der Maestro mit der markanten Brille auf der Nase bereit für ein Rockkonzert, das virtuos von seiner exquisiten Begleitband „Verstärkung“ (fünf gestandene Mannsbilder sowie die aparte Pütz) durch zwei Stunden reine Spielzeit geleitet wird. Los geht’s mit dem Kracher „Der Irrsinn hat System“ vom aktuellen Album KÖNNEN VOR LACHEN - so auch das Motto der Tournee -, weiter mit dem bewährten „Wunderkinder“, dann wieder was Neues namens „Halt das Herz an“, der nahtlos in den Klassiker „Der schwere Mut“ übergeht. Das Programm wird immer wieder durch von HRK rezitierte Texte ergänzt, mal launig-persönlich, mal bissig-politisch. In solchen Momenten teilt der Liedermacher in alle Richtungen aus. Gegen Neo-Nazis sowieso, aber auch gegen die ach so liberalen Quengler, in deren Weltbild nur die eigene Meinung zählt.

Lied Nummer 7 handelt von „Igor“, dem 20jährigen russischen Soldaten, eigentlich ein Idealist, der auf Befahl seines Vorgesetzten einen unschuldigen alten Ukrainer erschießen muss. Spontan steht der Großteil des Publikums auf, applaudiert heftig, die eine oder andere Träne wird von mancher Wange gewischt. Im Anschluss das Selbstportrait „Brille“ plus „Aller Herren Länder“, dann gut 20 Minuten Durchschnauf-Pause.

Zum Start des zweiten Durchgangs thront HRK hinter seinem Flügel, verliert sich im gewaltigen Trostspender „Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort“. Und gleich noch eine Ballade nur mit Tasten-Untermalung: „Ich hab’s versucht“, intoniert berührend vom Duo Gläser/Pütz. Schon wird wieder beinhart gerockt bei „Halt mich fest“. Irgendwann stehen alle, sozusagen „mit Leib und Seele“, halten verzückt Händchen. Zugaben dürfen nicht fehlen, dabei fliegen riesige bunte Ballons durch den Saal: Meg-Hit „Dein ist mein ganzes Herz“, „Finden Sie Mabel“ am Ende „Leuchtturm“. Punkt halb Elf verlassen glückliche Menschen den emotional gestärkten Zirkus.
Michael-Fuchs-Gamböck

Bild © Universal Music Group
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