Klassik_News_28.09.21
Tristan & Isolde – Richard Wagner in Füssen

Tristan & Isolde – Richard Wagner in Füssen

Tristan und Isolde, die Oper von Richard Wagner, die erstmalig 1865 in München aufgeführt wurde, ist „Liebespower unter Strom“, wie man es auf Neu-Deutsch ausdrücken würde. Der erste von drei Akten ist der Schlüssel, darin geht es um die nicht gelebte Beziehung in der Vorgeschichte. Tristan kommt zu Isolde, um eine unheilbare Wunde behandeln zu lassen. Sie erkennt in ihm den Mörder ihres Verlobten. Trotzdem passiert etwas mit den Beiden, was Wagner den „sehenden Blick“ nennt. Niemand weiß, wie lange die Zwei unter einem Dach gelebt haben und was da passiert ist.
Tristan organisiert - unter grässlicher Liebesqual - eine politische Heirat zwischen Isolde und König Marke, seinem Onkel. In diesem Moment beginnt das Drama einer versteckten, uneingestandenen Liebe. Daher beschließt das heimliche Paar, sehenden Auges in den Tod zu gehen. Sie halten den Zustand des harschen Alltags nicht aus. Sie trinken Gift. Doch aus dem Todestrank wird ein Liebestrank.
Der Heldentenor Robert Dean Smit verkörpert den Tristan bei den Musikfestspielen Königswinkel in Füssen, dirigiert von Lothar Zagrosek. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Auftritte, der ursprünglich für Herbst 2020 geplanten Produktion, ein Jahrverschoben werden.. 
Doch am 29. September geht es los. Wolfgang Klauke traf Robert Dean Smith Anfang September zum Gespräch:
 
Wie wird aus einem kleinen Schuljungen aus Kansas, der wahrscheinlich viele Träume und Ideen hatte, ein Heldentenor?
Robert Dean Smith (lacht): „Mit ganz großen Ideen bin ich nicht in die Schule gegangen. Ich wusste damals überhaupt nicht, was ich einmal machen will. Erst mit siebzehn, achtzehn Jahren stand für mich fest, dass ich etwas mit Musik machen möchte. Ich habe gerne gesungen und gerne Saxophon gespielt und damit zwei Hauptfächer an der Universität belegt – bis mir das zu viel wurde. Da habe ich mich auf Gesang konzentriert und einfach einen Schritt nach dem anderen gewagt. So landete ich irgendwann in Deutschland, genauer gesagt in Bielefeld. Dort war meine erste Station als lyrischer Bariton. Nach ein paar Jahren habe ich bemerkt, meine Stimme will nach oben gehen und festgestellt: das Tenor-Fach ist das richtige für mich.“ 
 
Die Corona-Pandemie hat die Kulturbranche hart getroffen. Wie sind Sie durch die Corona-Zeit gekommen?
Smith: „Ich habe viel geübt – allein zuhause oder auch mal mit meiner Frau. Aber es war natürlich eine schwierige Zeit – vor allem für die jungen Künstlerinnen und Künstler – und ist es immer noch. Mein letzter Auftritt war Anfang 2020 in Leipzig. Es wurde ja sehr viel abgesagt. Ich wohne hier in Lugano in der Schweiz und der Ausblick ist herrlich. Das war ein guter Ausgleich. Da habe ich mich mit Gartenarbeit und Hausarbeit beschäftigt – und natürlich mit üben, immer wieder üben.“ 
 
Und jetzt geht es nach Füssen… Kennen Sie Füssen und das Festspielhaus Neuschwanstein schon?
Smith: „Nein, ich bin noch nie in Füssen gewesen, nie auf Neuschwanstein und noch nicht einmal in der Gegend. Garmisch-Partenkirchen war noch das nächste. Von daher ist mir dieses Engagement eine besondere Freude. Jeder neue Ort, an dem ich zuvor noch nicht gewesen bin, ist eine Bereicherung für mich.“
 
Den Ort kennen Sie nicht, aber Lioba Braun kennen Sie bereits, richtig?
Smith: „Ja, Lioba kenne ich sehr gut und auch mit dem Dirigenten, Lothar Zagrosek, habe ich schon gearbeitet. Aber mit Lioba als Isolde habe ich noch nie gesungen. Das wird eine Premiere für uns und ich freue mich sehr.“ 
 
Wie oft haben Sie den Tristan denn schon gespielt und erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt als Tristan?
Smith: „Oh ja, ich erinnere mich gut, sehr gut sogar. Ich komme insgesamt auf 85-mal Tristan, glaube ich. Und das erste Mal war tatsächlich in Bayreuth. Dort war 2005 mein Tristan-Debüt. Das klingt vielleicht seltsam, das erste Mal Tristan und dann gleich in Bayreuth, aber ich war da schon viele Jahre in Bayreuth. Ich kannte das Haus gut, viele Orchestermusiker und Wolfgang Wagner. Außerdem hatte ich fast drei Jahre Vorbereitungszeit auf meinen ersten Tristan. Aufgeregt war ich dennoch.“
 
Nach 85-mal als Tristan auf der Bühne – ist die Rolle da schon Routine für Sie geworden?
Smith: „Nein, das ist immer wieder ein Ereignis. Immer wieder so aufregend als wäre es das erste Mal. Sicherlich hat man nach all den Jahren eine gewisse Erfahrung, aber leichter oder gar Routine wird es nie sein – für mich jedenfalls nicht und ich glaube für kaum einen Tenor.“ 
 
Wie bereiten Sie sich auf Ihre Tristan-Rolle in Füssen vor?
Smith: „Außer immer wieder üben und technisch an der Stimme zu arbeiten, ist es vor allem eine mentale Vorbereitung. Die Herausforderung besteht für mich darin, einen eigenen Rhythmus für die Szenen und den Ablauf zu finden. Dann hat man ein Ziel vor den Augen – und versucht nicht nur eine Seite nach der anderen zu schaffen. Das ist mein Konzept, um solche Rollen zu erarbeiten.“ 
 
Wie nahe ist Ihnen der Charakter des Tristan? 
Smith: „Natürlich geht es ständig um Liebe und Tod – (lacht) und das stört mich auch nicht. Aber eine Eigenschaft von Tristan, die mich gleichermaßen auf meinem Weg begleitet hat, ist das Suchen. Das fängt schon mit der Ouvertüre an, der berühmte Tristan-Akkord, und das zieht sich durch die gesamte Oper: eine Suche nach Harmonie, nach Erlösung, nach Liebe und auch nach dem Tod. Irgendwie war das für mich immer ein Halt. Auch ich suchte … immer weiter. Ich werde wahrscheinlich nie finden (lacht), aber ich suche immer wieder etwas Neues. Das muss auch nicht immer wirklich neu sein, aber es ist immer anders. Und dieses Suchen, diese Neugier, das mag ich an Tristan.“
 
Würden Sie „Tristan und Isolde“ auch Opern-Laien empfehlen? 
Smith: „Warum nicht? Es ist Musik. Wenn man ohne Vorurteile und Berührungsängste in diese Oper geht, dann wird man auch etwas empfinden – und dann ist der Besuch gelungen. Ich kenne Kleinkinder, die mit allerlei Musik aufgewachsen sind, die den Tristan hören und die können damit bereits etwas anfangen. Es braucht sicher eine gewisse Konzentration und Offenheit, und es ist nicht verkehrt, sich vorher ein wenig über die Oper und die Handlung zu informieren. Aber nochmal: warum nicht?“
 
Was ist denn Ihre Lieblingsstelle in der Oper?
Smith: „Schwer zu sagen. Musikalisch muss das der zweite Akt sein – das große Duett. Aber wenn ich am Schluss als Tristan tot auf der Bühne liege und darf dann bei diesem wunderbaren Schlussgesang von Isolde einfach nur zuhören, ist das immer aufs Neue ein ganz besonderes Erlebnis für mich.“ 
 
Wie angespannt oder entspannt sind Sie denn, wenn Sie tot auf der Bühne liegen?
Smith: „Das kommt darauf an, manchmal bin ich schon falsch gelandet, krallte mich mit den Fingern fest und hoffte nur, dass ich nicht runterfalle. Manchmal bin ich aber auch ganz entspannt – versuche aber natürlich in der Rolle zu bleiben. Hauptsächlich konzentriere ich mich auf Isolde und auf ihren Gesang. Nur dann werde ich auch transportiert in eine andere Welt, eine andere Dimension… das ist komisch ausgedrückt. Aber das ist wirklich, wie ich mich in diesem Moment fühle.“ 
 
Letzte Frage: Was steht bei Ihnen zuhause auf der „Playlist“? Nur Klassik, nur Opern…? 
Smith: „Nein, da ist auch sehr viel Jazz. Ich habe ja lange Saxophon studiert und spiele das immer noch gerne – vor allem Saxophon-Duette mit meinem Enkel. Ansonsten steht neben Jazz und Klassik alles Mögliche auf meiner Playlist und ich höre auch sehr gerne Radio.“  
Michael Fuchs-Gamböck/Wolfgang Klauke
 
Bild: @Photopulse.ch
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